Fersental / Valle del Fèrsina
Ostoberitalien, Prov. Trient / Trento
Lage: linke Talseite und Talschluß des in Trient in die Etsch mündenden Fersenbaches, nördl. v. Pergine (Persen).
Gründungszeit: zwischen 1250 und 1320
Geschichte: die Besiedlung erfolgte aus verschiedenen Tälern Nord- und Südtirols, wahrscheinlich in zwei voneinander getrennten Vorgängen: Anlage von Knappensiedlungen (heute stillgelegtes Silberbergwerk am Talschluß) und von bäuerlichen Erschließungen@. Der auf der rechten Talseite gelegene Hauptort St. Orsola ist italienisch. Die deutschen Dörfer Eichleit und Gereut bilden eine Gemeinde, desgleichen zerfällt die Gemeinde Florutz / Fierozzo in zwei Dörfer St. Franz und St. Felix. Den Talschluß bildet das am wenigsten von der Italianität berührte Palai / Palù. Während des Zweiten Weltkrieges Aussiedlung in die Budweiser Gegend im Sinne der "Option".
Sprache: die deutsche Mundart des Fersentales ist eine Alttiroler Mischmundart, die sich durch eigenständige Entwicklung in Lautstand und Wortschatz auszeichnet. Sie ist nicht "zimbrisch", gewisse Einflüsse des Zimbrischen sind in Einzelheiten zu beobachten. Seit 1865 gab es im Fersental deutschen Schulunterricht, der aber nur unter Mühen aufrechterhalten werden konnte. Derzeit auf privater Basis Deutsch in der Elementarschule und als offizielle Fremdsprache in der Hauptschule. Die Fersentaler werden von den Italienern Mocheni genannt - ein Spitzname, der aus dem häufig gebrauchten Zeitwort mochn "machen" abgeleitet ist. Der Ausdruck ist auch in den allgemeinen und wissenschaftlichen Gebrauch übernommen worden.
Volkskultur: charakteristisch ist der Fersentaler Wanderhändler, der durch den Verkauf verschiedener Waren in ganz Tirol und darüber hinaus das Familieneinkommen aufbesserte, damit aber auch den Kontakt zum geschlossenen deutschen Sprachraum aufrechterhielt. Reiches Volksbrauchtum und eigenständige Volkstanzkultur.
Ortsnamen: abgesehen von verschiedenen romanischen Namen herrscht deutsche Namengebung vor, auch in den Familiennamen, die aber mangels einer normierenden Schriftsprache ungleichartig geschrieben werden, z.B. Hos, Oss, Haas für Hase. Palai ist eine frühe Verdeutschung aus ital. palude "Sumpf".
Kulturpflege: Volkstanzgruppe in Palai.
Bedeutung: einschließlich der in Trient lebenden deutschen Fersentaler Familien ca. 800 Personen, die die erhaltungswürdige Tiroler Mundart sprechen. Ständiger Rückgang der bäuerlichen Bevölkerung durch Abwanderung. Pendlertum, vor allem der Jugend, in die trentinischen Industrieorte führt zu raschem Verlust der Muttersprache.
Literaturhinweis: volkskundliche Untersuchungen von R. Wolfram, sprachwissenschaftliche von C. Battisti, M. Hornung, A. Rowley; vgl. La Valle del Fèrsina (Atti del Convegno), S. Orsola 1978. A. Rowley, Fersentaler Wörterbuch, Hamburg 1982. F. Faganello - A. Gorfer, Das Tal der Mocheni, Calliano 1972.