Sprachinsel Lusérn / Luserna

Trentino & Veneto

Lusérn / Luserna

Ostoberitalien, Prov. Trient / Trento

Lage: südöstliches Trentino, auf einem östl. Ausläufer des Plateaus von Lavarone, 1343m

Gründungszeit: 16. Jahrhundert.

Herkunft: Tochtersiedlung von Lavarone / Lafraun, das seinerseits eine Sekundärkolonie der Sieben Gemeinden (s.d.) war.

Geschichte: zunächst als Alm von Lavarone aus beschickt, entstand im 16. Jh. auf dem steil gegen das Asticotal abfallenden Sporn von wenigen Familien (Nicolussi, Gasperi; später Oseli, Pedrazza) angelegt, der einsame Ort, der wirtschaftlich stets schwer zu kämpfen hatte. Nach dem Ersten Weltkrieg kam Lusern mit Welschtirol an Italien. Während des Krieges war eine Aussiedlung der Bevölkerung in den Bezirk Aussig in Böhmen erfolgt. Der Zweite Weltkrieg brachte durch die Option neuerliche Verlagerung der Ortsbewohner und nach der endlich ermöglichten Rückkehr bittere Verarmung. Als Gastarbeiter in der Schweiz konnten sich die Luserner in den letzten Jahrzehnten einen bescheidenen Wohlstand erarbeiten. Doch sind die rund 550 Ortsbewohner nie gleichzeitig zu Hause anzutreffen.

Sprache: die heimische Mundart ist das sog. Zimbrische, eng verwandt mit dem der Sieben Gemeinden (s.d.), jedoch etwas beeinflußt von den bis etwa 1945 ebenfalls deutschen Orten Folgaria und Lavarone (s.d.), die ihrerseits unter starkem Einfluß des Deutsch-Tirolischen standen. Neben der italienischen Schriftsprache spielt auch die deutsche Schriftsprache eine nicht unbedeutende Rolle. Seit 1866 gab es Deutschunterricht in der Schule. Eine deutsche Bibliothek und der Einfluß der deutschsprachigen Medien stellen eine Brücke zum gesamtdeutschen Sprachraum her. Auch die trentinische Landmundart wird in entsprechenden Situationen gebraucht.

Kulturgeschichte: charakteristische Bauweise der Häuser mit Außenstiegen, bis vor kurzem mit offenem Herdfeuer in der Küche. Reicher Schatz an Volkserzählungen und Märchen.

Kulturpflege: zwei örtliche Kulturvereine; ein seinerzeit vom Deutschen Schulverein gegründetes "Kulturhaus"; privater Deutschunterricht für die Kinder.

Bedeutung: einzige "zimbrische" Mundart, die noch keine ernsten Verfallserscheinungen aufweist, von besonderem Interesse für die Sprachwissenschaft. Reiche Arbeitsmöglichkeit für die Erzählforschung von umgestalteten Grimmschen Märchen bis zur Lokalsage.

Literaturnachweis: J. Bacher, Die deutsche Sprachinsel Lusern, Innsbruck 1905. Nachdruck (mit Vorwort von M. Hornung), Wien 1976; H. Tyroller, Lusern, die verlorene Sprachinsel, München 1979.