Sprachinsel Gottschee / Kocevje

Gymnasium Gottschee (Slowenien); Quelle: siehe Impressum
Gymnasium Gottschee (Slowenien); Quelle: siehe Impressum

Deutsche Sprachinseln in Slowenien

Auf slowenischem Gebiet lebten laut Volkszählung des Jahres 1910 ungefähr 106.255 (9,4 %) Personen,welche Deutsch als ihre Umgangs- oder Muttersprache angaben. Die relativ höchsten Anteile hatte die deutschsprachige Bevölkerung in der Stadt Marburg/Maribor. Insgesamt aber ist zu sagen, dass die deutsche Volksgruppe im Bereich der mehrheitlich slowenischen Gebiete Krain, Untersteiermark, Mießtal und Übermurgebiet nicht in geschlossener Form siedelte. 1921 erklärten nur noch rund 41.000 (3,9%) Personen Deutsch als ihre Muttersprache, zehn Jahre später waren es nur noch ungefähr 29.000 Personen (2,6 %). Die deutschen Sprachinseln in Slowenien sind heute nur noch verschwindend klein, ihre berühmteste ist wohl

Die Gottschee

Die Gottschee liegt etwa 60 km südöstlich von Laibach/Ljubljana. Über 12.500 deutschsprechende Gottscheer lebten einst in 163 Dörfern in 12 Gemeinden. Seit dem zweiten Weltkrieg gibt es nur mehr 12 kleinere Dörfer. "Gottscheer" ist eine Bezeichnung, die sich im Laufe der Jahrhunderte für die Angehörigen der deutschen Sprachinsel im Südosten Sloweniens, die einen alten deutschen Dialekt aus dem 14. Jahrhundert sprechen, durchgesetzt hat. "Gottscheer" ist in diesem Sinne eine Bezeichnung für die nationale Angehörigkeit. Durch Dialekt- und Geschichtsforschung hat man versucht, die Herkunft der Gottscheer zu erklären. Es wird angenommen, dass sie Nachfahren von Siedlern sind, die aus dem Oberkärntner und Osttiroler Raum in die Krain gekommen sind. Die Kolonisierung begann schon vor dem Jahre 1330 und dauerte über einen längeren Zeitraum. In einer Urkunde aus dem Jahre 1339 hat der Patriarch von Aquileia/Oglej, Oton V. Ortenburg die Erlaubnis erteilt, in der Kapelle des Hl. Bartholomäus in Mahovnik/Mooswald einen Kaplan einzusetzen. Auf einem Gebiet von 860 km² sind in 176 Dörfern und Weilern 127 Kirchen erbaut worden. Bald schon konnte die Bevölkerung nicht mehr von dem kargen Karstboden leben und so erteilte Kaiser Friedrich III. im Jahre 1492 den Gottscheern die Erlaubnis zum Hausieren. Viele Urkunden und Verordnungen haben dieses Recht bis zum 1. Weltkrieg geregelt. Gottschee hatte den Status einer Grafschaft und später unter den Auerspergern sogar den eines Herzogtums (1791). Im 19. Jahrhundert hat die Bevölkerung einen Höchststand von 28.000 Personen erreicht. Ende des 19. Jh. werden die Aussiedlungstendenzen, vor  allem nach Amerika, stärker. „Mein Schwiegervater [...] war insgesamt 5 Mal in Amerika, er hat dort für die Familie schwer gearbeitet, Geld verdient und es nach Hause geschickt.“ (Frau A. Č.,Toplitz/Dol. Toplice in der Gottschee/ Kočevje).So wie es auch von anderen gemischtsprachigen Gebieten bekannt ist, gab es auch in der Gottschee den „Kindertausch“, der eigentlich ein Beweis dafür ist, dass das Sprach- und Nationalitätenproblem eines von außen ist, und die Bevölkerung dieser Gebiete damit sehr gut umgehen konnten.

„In der Jugend meines Schwiegervaters wurden die Kinder immer zu den Slowenen geschickt, damit sie Slowenisch lernten. Die Slowenen kamen auch zu uns, Deutsch und Gottscheerisch zu lernen. Beim Kirchtagsfest war der Tausch der Kinder üblich. Meine Tanten waren alle beim H. in Pöllandl im Dienst – dort lernten sie das schönste Gottscheerisch. Mein Großvater R (Vater meiner Mutter) war 28 Jahre lang jedes Jahr im Winter in Kärnten, mit einer Buckelkraxen. Er sprach Gottscheerisch und ein perfektes Deutsch.“

(Herr R.K.,Toplitz/Dol. Toplice in der Gottschee/ Kočevje)

Die Gottscheer konnten Ende des 1. Weltkrieges mit einem relativ gut organisierten Schulsystem aufwarten. Sie hatten ein höheres Gymnasium, eine Fachschule, 33 deutsche Volksschulen und zwei Kindergärten. Nach dem 1. Weltkrieg ist die Gottschee ein Teil des Königreiches Slowenien-Kroatien-Serbien geworden. Die deutschen Vereine wurden aufgelöst, die Staatsbeamten und Lehrer wurden entlassen, schleichend die deutschen Schulen, die Fachschule, aufgehoben, das Gymnasium in Gottschee wurde slowenisch. Die Intelligenz wanderte vor allem nach Kärnten aus. Die Folgen dessen waren ein Rückgang der Bevölkerung im Gottscheer Land und allgemeine Unzufriedenheit. In den Jahren 1937/38 begannen sich die Gottscheer dem Nationalsozialismus zuzuwenden. Als Hitler 1941 das slowenische Gebiet teilte, kam die Gottschee unter italienische Herrschaft. Die italienische Okkupation hat natürlich die Gottscheer enttäuscht. Die Führung hat sich mit den nationalsozialistischen Machthabern auf eine Aussiedlung geeinigt, ähnlich wie es in Südtirol und im Kanaltal gehandhabt worden ist. Die Propaganda für die Aussiedlung war stark, die Angst, allein im leeren Ort zurückzubleiben, war groß und außerdem begannen die ersten Partisanenüberfälle. Die Mehrheit der Bevölkerung entschloss sich zur Aussiedlung. Angesiedelt wurden sie in Häusern ausgesiedelter Slowenen im Gebiet von Krško/Gurkfeld und Brežice/Rann. Einige sind zu Hause in Gottschee geblieben, trotz des Drucks v.a. im Tal von Tschermoschnitz und Pöllandl. Geblieben sind auch die Gottscheer, die in den Städten und außerhalb der Sprachinsel lebten. Nach dem Krieg mussten die, welche umgesiedelt wurden, ins Ausland fliehen und nur wenige sind in das Gottscheerland zurückgekehrt. Nach dem AVNOJ-Erlass wurden die Deutschen enteignet. Allein in Laibach/Ljubljana wurde das Eigentum von 1667 Personen konfisziert. Nach dem Krieg sind im Gottscheer Gebiet verschiedene staatliche Genossenschaften entstanden, die das Eigentum verwalteten. In die leeren Häuser zogen Arbeiter, die auf diesen Besitzungen arbeiteten. Vorerst waren hier slowenische Staatsbürger tätig, später siedelten sich aber immer mehr Leute aus Bosnien, teilweise aus Kroatien, dem Kosovo, Mazedonien und auch einige Roma an. So ist die nationale und religiöse Zusammensetzung der Bevölkerung sehr bunt. Einiges blieb auf diese Weise erhalten, aber von den zahlreichen Ortschaften der früheren Gottschee sind auch viele heute nicht mehr zu finden. Von den einhundertsiebzig Kirchen sind heute nur mehr neunzehn erhalten. Trotzdem leben laut der Volkszählung 1991 im Gemeindegebiet Gottschee 21 Personen, die auch heute deutsch als Muttersprache angeben.
 

„Mit meinem Bruder habe ich bis heut noch nie ein slowenisches Wort gesprochen, immer gottscheerisch. Auch in meinem Büro habe ich schon immer, auch wenn viele Slowenen anwesend waren, mit meinen Geschwistern, wenn sie anriefen, gottscheerisch gesprochen. Am Anfang meiner Karriere fragten die Leute, was für eine Sprache das wäre. Slowenisch wäre es nicht, deutsch auch nicht, was dann? Ich sage: ‚Gottscheerisch’ und sie staunten, dass es so was noch gibt.“ (Herr H.J., Rudolfserth/Novo mesto)

 
Maridi Tscherne, Geschäftsführerin des Gottscheer Altsiedler-Vereins (http://www.pavelhaus.at/publikationen /signal99_deutsch)
Karner Stefan: Die deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien;Klagenfurt-Ljubljana-Wien 1998
Karl Semitsch: Das war Gottschee; Landskorn 1980

Sprache

Da das Gottscheerland viele Jahrhundert hindurch „geschlossenes Bauernland“ war, konnten alte Gebräuche, altes Liedgut, aber auch die alte Mundart erhalten und bewahrt werden. Eine Eigenart der Gottscheer Mundart ist ihr Vokalreichtum, etwa in getüen (getan) oder geshüngen (gesungen), wo ansonsten im Südbairischen g’ton, g’sung’n gesprochen wird. Mittelhochdeutsch langes e und o werden zu ea und oa: Khlea (Klee), Noat (Not): shai hont proat ünt bain aff’n Tisch g’schtellet (Sie haben Brot und Wein auf den Tisch gestellt. Ü und ö statt u und o blieb erhalten: Gepürt (Geburt) oder Khövloch (Knoblauch). Offenes e wurde zu a: Par (Bär) und Bakh (Weg). Eigenheiten zeigen sich auch im Konsonantismus. V ist wie im Mittelhochdeutschen vielfach stimmhaft gesprochenes W geblieben: Waschter (Fenster), Wingerle (Rinlein). K wird behaucht: Khint (Kind). Auffallend sind auch voll lautende Endungen und Vorsilben: Shönne (Sonne), Haeshe (Hase) statt mittelbairisch Sunn, Has. Im ganzen Oberdeutschen einzigartig ist auch die volle Erhaltung der Verkleinerungssilbe –lein, mundartlich -lain.


Kaiser, Kaplaner: Ingrid: Gottscheer Frauenschicksale im 20. Jahrhundert. Klagenfurt-Ljubljana-Wien 1993

Er schaut wie die Kuh vorm neuen Tor. - Ar schagt biə də kuə pain naiən tuarə.
Er stinkt wie ein Iltis. – Ar schtinkət viə an englataschə
Die Augen sind größer als der Magen. – Də agn hent greaßar biə dr mûgə
Da hat eine blinde Henne ein Körnlein gefunden. - Du’t a plintai hennə a kearnle vunn.
Bis du heiratest ist es wieder gut. - ´s brt schon bidr guət, pis du brscht hairotn.
Bear ischt an tumischtn in d’r kirchn? – Wer ist am dümmsten in der Kirche? –
Der Pfarrer; er zieht das Hemd über den Rock an.


Tschinkel, Wilhelm: Gottscheer Volkstum in Sitte, Brauch, Märchen, Sagen, Legenden und anderen volkstümlichen Überlieferungen. Rosegg 1931

Das Gottscheer Heimatlied

1. Dü hoscht lai oin Attain,
oin Ammain dərtsüə
dü hoscht lai oin Höimöt,
Göttscheabaschər Püə.
2. Avoar in dər Barəlt
gait’s Laitə gənüəkh,
döch liəbər ahoime
ischt dar Göttscheabaschə Püə
3. Də Göttscheabaschn Laitə
hent ollə shö güət,
shai hent ollə biə Priədrə,
shai hent ollə oin Plüət.
4. A rachtər Göttscheabar,
ob uərm ödər raich,
ar liəbət shain Hoimöt
grut biə’s Himmlraich.
5. Gött Vuətər in Himml,
biər patn guər schean,
shö luəß insch inshər Lantle
in Vridn pəschtean!

Wilhem Tschinkl

 

Diese Statue symbolisiert das Schicksal der Gottscheer
Sie wurde von ihren Besitzern in zwei Hälften geschlagen, als sie fliehen mussten. So war sie einerseits wertlos für Räuber, andererseits sollte dies ein Symbol sein, dass die Familie nach der Flucht wieder zusammenfindet.
(http://www.museumonline.at/1998/schools/kaernten/KA_SPITT/dgottschee.htm)

Zarz/Sorica und Deutschrut/Rut

Im Jahre 769 schenkt Tassilo III. dem Abt Otto von Scharnitz, dem späteren Bischof von Freising, Innichen im Pustertal samt Umgebung, damit er in dieser fast menschenleeren Gegend ein Kloster gründe. Schon im 9. Jahrhundert erwarb das Kloster Besitzungen im damaligen Kärnten und es erhielt Schenkungen in Terfeis/Treviso und im Venedischen/Godego. Im Jahre 973 schenkt Otto II. dem Bischof von Freising einen ausgedehnten Besitz in Oberkrain, der fast den ganzen Flussbereich der Selzacher und Pöllander Zaier umfasste. Der Grundstein der deutschen Besiedlung des Zarzer Landes war gelegt. Schon im 12. Jahrhundert setzte hier eine neue deutsche Besiedlung ein, die sich im Laufe der Jahrhunderte auf die umliegenden Gebiete ausdehnte.
Zarz liegt im Südwesten von Oberkrain im Quellgebiet der Selzacher Zaier und besteht aus fünf Katastralgemeinden, Huben/Dajne, Älse/Davče, Stuben/Zalilog, Leskau/Leskovca und Zarz/Sorica. Haupterwerbszweig ist die Viehzucht, da die Ackerfläche nur 6,6 % der gesamten Siedlungsfläche beträgt. Kaum Bedeutung wird auch dem Obst- und Gemüseanbau und der Industrie beigemessen.
Den Beginn der Slowenisierung verursachten sowohl in Zarz als auch Deutschrut slowenischsprachige Pfarrer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Verteufelung der deutschen Sprache besonders auch die drakonischen Maßnahmen, wenn die Kirchenbesucher diese anschließend an den Gottesdienst am Kirchplatz benutzten, führten dazu, dass es bei der Volkszählung 1918 keine deutschsprachigen Bewohner mehr gab. Dennoch wurde noch jahrzehntelang Deutsch als verborgene Haussprache verwendet.

Sprache
Zarzer, Deutschruter und Pustertaler Wörter stimmen zu einem Großteil überein. Nur ein Fünftel des Zarzer und Deutschruter Wortschatzes haben die Sprachforscher Eberhard Kranzmayer und Primus Lessiak in ihrer Untersuchung, die sie vor 20 Jahren machten, als neuen Wortschatz bezeichnet. Der Rest wird von ihnen als „Altpustertaler Gut“ bewertet. Dieses Alpustertaler Gut zeigt sich weniger deutlich in der Lautlehre, lässt sich aber anhand der Wortlehre festmachen. In den 60er Jahren waren von etwa 350 Zarzer Sonderwörtern noch 130 im Pustertal gebräuchlich.
De ooltn Laite žint genoumen a Schiirwele Vair, nou wäwwr gean ze raachan, daß brnt gean de Zouprare hin auf en de Kchouvln auf ze dr wildn Waabe. Tuat že schen poochn, Wäwwr schoofn a weakch Zeltnsch; wäwwr žäihn mat am Proot auf de wildn Waabm.
Die alten Leute haben eine kleine Schaufel genommen, um auszuräuchern, damit die Zauberer auf die Kofeln zu den wilden Frauen gehen. Wenn sie schön bäckt, werden wir ein bisschen Brot schaffen, wir werden mit dem Brot zur wilden Frau sehen (hingehen).


Kranzmayer Eberhard und Primus Lessiak: Wörterbuch der deutschen Sprachinselmundart von Zarz/Sorcia und Deutschrut/Rut in Jugoslawien; Klagenfurt 1983
Lessiak Primus: Die deutsche Mundart von Zarz in Oberkrain, Marburg 1959